Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung von Geflüchteten in unsicherem Aufenthalt wird durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt. Es umfasst zahlreiche Einschränkungen gegenüber einem regulären Krankenversicherungsschutz. Diese Einschränkungen gelten mindestens für die ersten 18Monate des Aufenthaltes in Deutschland, gegebenenfalls aber auch darüber hinaus.

Frühestens nach 18 Monaten können Flüchtlinge Krankenleistungen wie in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Die massiven Einschränkungen in der medizinischen Versorgung ist einer der zentralen Gründe, warum Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes fordern und die Leistungsgewährung nach den bestehenden Sozialgesetzbüchern. Mit der Einführung der Gesundheitskarte für Geflüchtete in Thüringen am 01.01.2017 müssen nur noch sehr wenig medizinische Leistungen vom Sozialamt genehmigt werden (siehe Leistungsbereich C im Anhang der Rahmenvereinbarung). Zuständig für die Gesundheitsversorgung sind die Sozialämter. Sie melden die Geflüchteten bei der Krankenkasse an, die nach dem Rahmenvertrag für den Landkreis zuständig ist.

Die Einführung der Gesundheitskarte ist ein sehr wichtiger Schritt gewesen, um die diskriminierende Praxis der behördlichen Behandlungsscheine in Thüringen zu beenden. Ein gleichberechtigter Zugang zur regulären medizinischer Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber weiterhin notwendig.

Stand: August 2021

Die gesetzliche Grundlage für die medizinische Versorgung von Menschen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung ist das Asylbewerberleistungsgesetz (§§ 4 und 6).

Nach § 4 AsylbLG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände die erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen zu gewähren. Dies schließt die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen mit ein. Dazu zählen auch die amtlich empfohlenen Schutzimpfungen, die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen und Hebammenhilfe. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Der Behandlungsumfang ist nicht auf eine Notfallversorgung beschränkt.
Ausgeschlossen vom Behandlungsumfang sind rein chronische Erkrankungen, die weder akut noch schmerzhaft sind. "Akut" meint nicht eine Unaufschiebbarkeit, Unabweisbarkeit oder Unerlässlichkeit, sondern beschreibt einen akuten Krankheitszustand oder akuten Behandlungsbedarf. Wenn chronische Erkrankungen z.B. Schmerzen verursachen, besteht auch da ein uneingeschränkter Behandlungsanspruch.

§ 6 AsylbLG regelt die „sonstigen Leistungen“, wozu insbesondere Leistungen zählen, die im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind.

In seiner Broschüre "Soziale Rechte für Flüchtlinge" führt Claudius Voigt dazu aus: "Daraus ergibt sich: Nahezu der gesamte Umfang der medizinischen Behandlung, der auch in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen ist, muss erbracht werden - insbesondere für Minderjährige und andere Personen mit besonderen Bedürfnissen."

Beratungshilfen zum Thema medizinische Versorgung finden Sie bei unseren Beratungshilfen im Tab medizinischer Versorgung.

Gesundheitskarte
Die Gesundheitskarte für Geflüchtete in Thüringen wurde zum 1.1.2017 eingeführt. Geflüchtete benötigen nun nicht mehr die Krankenbehandlungsscheine vom Sozialamt, sondern können mit ihrer Gesundheitskarte direkt in den Arztpraxen behandelt werden. Die Regelung in Thüringen ist in allen Landkreisen einheitlich. Das Kriterium der unaufschiebbaren Behandlung bzw. einer "Notfallmedizin" kommt in aller Regel nicht mehr zur Geltung. Die überwiegende medizinische Versorgung findet auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung statt. Zudem unterliegen Psychotherapien nicht mehr dem Genehmigungsvorbehalt der Sozialämter.

Zuständige Krankenkassen
Abhängig vom Landkreis/ kreisfreie Stadt sind unterschiedliche Krankenkassen zuständig. Weitergehende Informationen auf der Website der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen.

Behandlungsumfang
Die Thüringer Rahmenvereinbarung wurde auf der Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes geschlossen. Entsprechend verweist der Vertrag auf die §§ 4 und 6 AsylblG und schließt grundsätzlich aus dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmte Leistungen für Geflüchtete mit Gestattung und Duldung aus. Nicht gewährt werden: Entgeltersatzleistungen (z.B. Krankengeld und Mutterschaftsgeld) sowie Leistungen der Pflege und der Eingliederungshilfe nach SGB 5 (siehe § 4 Abs. 5 des Rahmenvertrages).

Es werden 3 Leistungsbereiche A, B, C im Abrechnungsverfahren mit den Krankenkassen unterschieden (Anlage 1 der Rahmenvereinbarung):

  • A - Leistungsbereiche, die direkt über die Gesundheitskarte bezogen werden: es findet kein gesondertes Genehmigungsverfahren statt. Das Kriterium der Unaufschiebbarkeit wird nicht geprüft! Leistungsentscheidungen werden auf der Grundlage des SGB 5 (gesetzliche Krankenversicherung) getroffen.
  • B - Leistungsbereiche, die auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung von den Krankenkassen regelmäßig vorher geprüft werden und genehmigt werden müssen. Das Kriterium der Unaufschiebbarkeit wird nicht geprüft! Leistungsentscheidungen werden auf der Grundlage des SGB 5 getroffen.
  • C - Leistungsbereiche, die auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung von den Krankenkassen regelmäßig vorher geprüft werden und genehmigt werden müssen und bei denen das Kriterium der Aufschiebbarkeit zutrifft: in diesen Fällen leiten die Krankenkassen die Anträge an die Sozialämter weiter, die dann eine Entscheidung treffen. Dies kann 7 Punkte betreffen:

    1. Medizin. Vorsorgemaßnahmen, insbesondere Vorsorgekuren (§§23, 24 SGB V)
    2. Neuversorgung mit Zahnersatz incl. Gewährleistung, Paradontosebehandlung und Kieferorthopädische Behandlung
    3. Haushaltshilfe nach den Regelungen des SGB 5
    4. Künstliche Befruchtung und Sterilisation
    5. Disease-Management-Programme (DMP)
    6. Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung und weitere Selektivverträge, Wahltarife nach § 53 SGB 5, die von der Krankenkasse außerhalb der gesetzlichen Pflichtleistungen angeboten werden, sofern die Leistung nicht unter Buchstabe A fällt, Satzungsmehrleistungen
    7. Leistungen im Ausland


Dolmetscher:innen-Kosten
Weiterführende Informationen zu Dolmetscher:innen-Kosten gibt die GGUA. In Thüringen bieten das Landesprogramm Dolmetschen (Videodolmetschen) und SprInt Angebote zur Sprachmittlung.