25. Februar 2021
Trotz Pandemie viele Abschiebungen aus einigen Landkreisen

Pandemiebedingt weniger Abschiebungen in 2020 – trauriges Engagement von Erfurt, Greiz und Weimarer Land

Im Pandemie-Jahr 2020 fanden 70% weniger Überstellungen in andere EU-Staaten und 30% weniger Abschiebungen in Herkunftsländer in Thüringen statt. Das zeigt die Beantwortung einer Kleinen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu Abschiebungen aus Thüringen (Drs. 7/2707). Für Abschiebungen in Herkunftsländer sind die Ausländerbehörden der Landkreise zuständig. Schockierend dabei ist, dass einige Ausländerbehörden in Thüringen die Abschiebungen im Vergleich zum Vorjahr dabei sogar noch deutlich intensiviert haben. So hat sich 2020 die Zahl der Abschiebungen in Herkunftsländer aus der Landeshauptstadt Erfurt im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht. „Ausgerechnet jene Behörde, die sich der anhaltenden Kritik an ihrer Arbeit entzieht und Personalmangel als Begründung anführt, zeigt gemeinsam mit den Landkreisen Greiz und Weimarer Land ein besonders trauriges Engagement.“ sagt Philipp Millius vom Flüchtlingsrat Thüringen. Aus Erfurt, Greiz und Weimarer Land wurden die meisten Menschen im Pandemie-Jahr abgeschoben.

Insgesamt sind Abschiebungen und Überstellungen aufgrund von Aus- und Einreiseverboten, der zeitweisen Einstellung des Flugverkehrs und der Schließung von Auslandsvertretungen im Zusammenhang mit Covid-19 zurückgegangen.

In der Gesamtschau der Zahlen erfolgten im Corona-Jahr 2020 aus Thüringen insgesamt 143 Abschiebungen in Herkunftsländer und 80 Überstellungen in andere EU-Staaten. Ungeachtet bestehender Probleme im Gesundheitssystem und bei dem Zugang zu Gesundheitsversorgung in einigen Herkunftsländern sowie weitreichenden Reisebeschränkungen und -Warnungen in viele Zielländer, hatten sich Thüringer Behörden nach einer Unterbrechung Anfang März bis Ende Mai an Sammelabschiebungen aus dem Risikogebiet und Corona-Hotspot Thüringen insbesondere in Länder des Westbalkans beteiligt. Abschiebungen setzen dabei alle beteiligte Personen, Abgeschobene wie auch das Flugpersonal und begleitende Beamt*innen, einem erhöhten Infektionsrisiko aus. Vielen Abgeschobenen erwartet keine angemessene Gesundheitsversorgung, aber eine hohe Gefahr für Leib und Leben.

Kritik an Ausländerbehörde Erfurt reißt nicht ab

Die für die Durchführung der Abschiebungen in Erfurt zuständige Ausländerbehörde geriet immer wieder in die Kritik des Flüchtlingsrates und der Öffentlichkeit. Grund für die ausbleibende Terminvergabe und Möglichkeit der persönlichen Vorsprache sowie für den anhaltenden Bearbeitungsrückstau von Anträgen und Einzelfallprüfungen sei in der Erklärung der Stadt Erfurt ein akuter Personalmangel innerhalb der Behörde.  Zugleich war die Ausländerbehörde Erfurt in den Monaten nach der ersten Corona-Welle unmittelbar durch eine Familientrennung einer kosovarischen Familie in Erscheinung getreten.

Fokus Balkan

Im vergangenen Jahr ist in Thüringen insbesondere die Zahl der Abschiebungen nach Serbien gestiegen. Dabei bleibt vielen Personen aus Risikogruppen oder Angehörige bestimmter Personengruppen wie Rom*nija der Zugang zur Gesundheitsversorgung im Herkunftsland aufgrund fehlender Krankenversicherung oder finanzieller Hürden häufig versperrt.

Weltweite Pandemie – es braucht dringend einen Abschiebungsstopp

Bereits seit der ersten Welle im März vergangenen Jahres fordern Flüchtlingsräte einen Abschiebestopp als politische Maßnahme angesichts der Corona-Pandemie. Im November des vergangenen Corona-Jahres 2020 richteten 45 Thüringer Organisationen, Vereine und Initiativen einen Appell an die Thüringer Landesregierung und sprachen sich dafür aus, Abschiebungen während der Covid-19-Pandemie grundsätzlich zu untersagen.

 

Radio F.R.E.I. im Gespräch mit Philipp Millius
vom Flüchtlingsrat Thüringen