Opferrechte und Opferschutz von geflüchteten Menschen werden nicht konsequent umgesetzt, mahnt der Flüchtlingsrat Thüringen an. Das dritte Jahr in Folge kommt es in Thüringen zu deutlich mehr rassistischen Anschlägen und Übergriffen. Das geht aus aktuellen Zahlen von Landeskriminalamt und der Opferberatung ezra hervor. Die Aufklärungsquote der Straftaten ist dabei gering.
Körperliche und seelische Verletzungen in Folge von Übergriffen werden nicht immer ausreichend dokumentiert, sind aber auch wichtige Grundlage für strafrechtliche Verfahren. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht eine medizinische Versorgung nur in Akutfällen vor, daher sind Behandlungen auch von Folgeschäden oft nicht möglich. Die Unterbringung betroffener Menschen in sichere Rückzugsräume findet fast nie statt. Opfer müssen oft vor Ort bleiben und sind dann weiter der rassistischen Bedrohung und Gewalt ausgesetzt. Martin M. Arnold vom Flüchtlingsrat Thüringen sagt dazu: „Bereits der Brandanschlag in Friemar im vergangenen Jahr zeigte, dass gesetzlich geregelte Opferrechte für Asylsuchende nicht umgesetzt sind und damit rechtsstaatliche Prinzipien verletzt werden. Die betroffenen Familien wurden nach der Brandnacht in Friemar in eine Massenunterkunft in Gotha gebracht. Trotz der Unterstützung durch L`amitiè und ezra konnten die Bedingungen für die Betroffenen nicht kurzfristig verbessert werden. Besonders die Kinder litten darunter, nicht zu einer Ruhe finden zu können, die für die Aufarbeitung des Erlebten dringend nötig gewesen wäre. Auch psychotherapeutische Angebote für die betroffenen Familien mit Kindern wären wichtig. Ohne schützende Rückzugsräume werden Menschen nach erfolgten Übergriffen erneut zum Opfer.“
Sowohl für die Bewältigung der psychischen und körperlichen Folgen von Übergriffen als auch für eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen, ist die Anwesenheit der Opfer und Zeug*innen im Land enorm wichtig. Der Flüchtlingsrat und ezra begrüßen die Initiative des Thüringer Justizministeriums für ein Bleiberecht betroffener Personen bis zum Abschluss der gerichtlichen Aufarbeitung. Arnold fordert weiter: „Menschen, die hier in Thüringen Schutz suchen und erneut Gewalt und Leid erfahren, dürfen nicht wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Der Opferschutz muss vollumfänglich für alle Menschen im Land gelten. Alles andere ist struktureller Rassismus.“
Zudem warnt der Flüchtlingsrat vor einer Normalisierung der Zustände. Insbesondere an den Orten der Übergriffe muss es klare Positionierungen und Solidarisierung seitens Zivilgesellschaft und Politik geben. Martin M. Arnold sagt dazu: „Die aktuellen Zahlen von Angriffen auf Flüchtlinge und Unterkünfte sind alarmierend und erschreckend. Viel zu selten wird aus der Opferperspektive und von den leidvollen Erfahrungen berichtet, die Schutzsuchende in Thüringen machen müssen. Es ist anzunehmen, dass viele Übergriffe und Bedrohungen unerkannt bleiben, weil Verantwortliche in den Kommunen nicht konsequent handeln und sich eingeschüchterte Opfer selten offiziellen Stellen anvertrauen.“