Der Migranten Omid Verein (MOVE e.V.) hat den offenen Brief „Diskriminierende Praxis der Erfurter Ausländerbehörde“ an das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) sowie den Leiter der Ausländerbehörde Erfurt gesendet. Unterstützt wird er vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V., dem Sprachcafé Erfurt, der Refugee Law Clinic Jena e.V., dem Büro für ausländische MitbürgerInnen, dem Institut für Berufsbildung und Sozialmanagement (IBS) und dem Caritasverband des Bistum Erfurt e.V.
Die Ausländerbehörde Erfurt stellt für Geflüchtete mit humanitärem Schutzstatus Ausweisersatzpapiere aus, die zu Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche und weiteren wichtigen Bereichen des alltäglichen Lebens von Geflüchteten und Migrant*innen führen. Anstatt den vorgeschriebenen elektronischen Aufenthaltstitel (handliche weiße Chipkarte) auszustellen, wird lediglich ein grünes Faltblatt ausgehändigt oder ein Klebeetikett in den Pass geklebt. Trotz mehrmaliger Aufforderungen des TMMJV an die Ausländerbehörde Erfurt, den elektronischen Aufenthaltstitel auszustellen, setzt die Behörde dies nicht um.
Diese Vorgehensweise ist eins von mehreren Problemen, die vom MOVE e.V., dem Flüchtlingsrat Thüringen e.V., dem Sprachcafé Erfurt und der Refugee Law Clinic Jena e.V. kritisiert werden. Daher rufen diese vier Organisation für den 26.2. 15:30 Uhr zur Demonstration „Stop making fear! Demonstration gegen Behördenwillkür“ auf.
Die Aufforderungen vom 07.03.2017, vom 06.09.2018 sowie vom 29.01.2019 des TMMJV an die Ausländerbehörde Erfurt, die elektronischen Aufenthaltstitel auszustellen, sind im Protokoll der 137. Sitzung des Thüringer Landtages nachzulesen (ab Seite 107): http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/69906/137_plenarsitzung_arbeitsfassung.pdf#page=107
oder im Mittschnitt nachzuhören: http://plenumonline.fem.tu-ilmenau.de/thueringen/Default.aspx?TOPcount=33
Mitschnitt von "31.01.2019 14:43 - 15:02" ab Minute 11:50
An
den Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz
das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz
den Leiter der Ausländerbehörde Erfurt
Erfurt, den 14.02.2019
Offener Brief: Diskriminierende Praxis der Erfurter Ausländerbehörde
Sehr geehrter Herr Minister Lauinger,
Sehr geehrter Herr Zabold,
Sehr geehrter Herr Heinemann,
viele existenzielle Fragen von uns Geflüchteten und Migrant*innen hängen von Entscheidungen der Ausländerbehörden ab. Trotz unzähliger Schwierigkeiten, die wir täglich im Behördenhandeln der Thüringer Ausländerbehörden erfahren, beziehen wir uns hier auf eine spezifische Problematik. Mit diesem offenen Brief möchten wir Sie auf akute Probleme in der Vorgehensweise der Ausländerbehörde Erfurt hinweisen. Wir bitten Sie eindringlich, unseren Forderungen nachzukommen, um allen Bewohner*innen in Erfurt eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Erfurter Ausländerbehörde Erfurt stellt Personen mit humanitärem Schutzstatus (Asyl/ GFK, subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot nach § 60.5/7 AufenthG) oft keine elektronischen Aufenthaltstitel (eAT) aus bzw. verlangt diese zurück. Stattdessen wird bei Menschen, die einen Heimat- oder Reisepass besitzen, ein Etikett in den Pass geklebt. Bei Menschen, die keinen Pass vorweisen können, wird lediglich ein grünes Faltblatt mit dem Aufdruck „Ausweisersatz“ ausgestellt. Andere Personengruppen (Familiennachzug, familiärer Aufenthalt etc.) erhalten allerdings den eAT.
Diese Vorgehensweise führt zu vielfältigen Problemen und Diskriminierungen. Legen die Betroffenen bei Arbeitgeber*innen, Vermieter*innen, Bankinstituten oder Behörden lediglich ihren ausländischen Pass i.V.m. dem Faltblatt des Ausweisersatzes vor, wird dies häufig nicht als vollwertiger Aufenthaltstitel akzeptiert. Der Aufdruck „Ausweisersatz“ wird anders interpretiert als die Bezeichnung „Aufenthaltserlaubnis“ auf den eAT-Chipkarten. Außenstehende glauben, dass es sich um andere Papiere handele und dass diese einen geringeren Stellenwert als den eines eAT haben.
Die diskriminierenden Folgen betreffen alle Situationen, in denen es nötig ist, sich auszuweisen. Beispiele reichen von der Ablehnung der Eröffnung eines Bankkontos über das Nicht-Erhalten einer Wohnung bis hin zu Kündigungen der Arbeitgeber*innen.
Menschen, die als Aufenthaltstitel lediglich ein Klebeetikett in ihrem Pass erhalten, müssen diesen Pass ständig mit sich tragen, anstatt die handliche Chipkarte einstecken zu können. Verlieren sie diesen, dauert die Beantragung eines neuen Heimatpasses bei der zuständigen Botschaft mehrere Monate. Menschen aus Afghanistan warten nach Verlust oft bis zu acht Monate auf die Ausstellung eines neuen Passes.
Wir Migrant*innen und Geflüchtete sind Teil der Erfurter Gesellschaft. Wir kritisieren die Praxis der Erfurter Ausländerbehörde und fordern eine respektvolle und angemessene Behandlung, die eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Wir fordern die Ausstellung des elektronisches Aufenthaltstitels als Chipkarte für Personen mit humanitärem Schutzstatus (Asyl/ GFK, subsidiärem Schutz oder Abschiebeverbot nach § 60.5/7 AufenthG). Wir bitten Sie in Ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich dafür Sorge zu tragen, dass unseren Forderungen entsprochen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Amin Sarkhosh
Migranten Omid Verein (MOVE e.V.)
Unterstützer*innen
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Sprachcafé Erfurt
Refugee Law Clinic Jena e.V.
Büro für ausländische MitbürgerInnen
Institut für Berufsbildung und Sozialmanagement gemeinnützige GmbH
Caritasverband für das Bistum Erfurt e.V.