Vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern treffen sich die Landesflüchtlingsräte am 19. und 20. September in Dresden. Themen der heute und morgen stattfindenden Konferenz sind unter anderem die Folgen der Landtagswahlen und Berichte zu den Lagersituationen aus den Bundesländern.
Die Wahlergebnisse aus Brandenburg und Sachsen vom 1. September zeigen: Mit Hetze und Ausgrenzung lässt sich weiterhin Politik machen. Der gesetzgeberische Aktionismus der Innenministerien haben den Rechten das Wort geredet und nun nicht mehr vollbracht, als eine weit fortgeschrittene Entrechtung von Schutzsuchenden. Gemeinsam fordern die Flüchtlingsräte und PRO ASYL einen grundlegenden Wandel zu einer menschenrechtsbasierten Politik, die nicht weiter auf Isolation und Ausgrenzung setzt.
"Demokratische Parteien müssen sich klar nach Rechts abgrenzen statt deren Inhalte zu übernehmen, demokratische Positionen dürfen nicht aufgeweicht werden," mahnt Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. auch mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen am 27.10.2019. Die Flüchtlingsräte und PRO ASYL fordern daher konkrete Schritte, um den Weg nach Rechts zu stoppen.
"AnkER-Zentren" wie alle anderen Lager sind Ausdruck der aktuellen Ausgrenzungspolitik. Die Aufenthaltsdauer dort wurde erst diesen Sommer mit dem Hau-Ab-Gesetz verlängert. Schutzsuchende werden in Massenlagern untergebracht, wo sie kaum Zugang zu Integrationsangeboten oder unabhängiger Beratung haben, Vulnerable werden selten als solche erkannt – physische und psychische Krankheiten, sowie Re-Traumatisierungen sind die Folge.
In Dresden baute man gleich Erstaufnahmeeinrichtung und Abschiebungshaft nebeneinander – „sodass ja niemand auf die Idee kommt, hier anzukommen“, kritisiert Mark Gärtner vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Auch in Brandenburg und Thüringen ist die Lage nicht viel besser: Dort existieren zahlreiche Lager, die zum Teil weitab von Beratungs- und Unterstützungsangeboten liegen und teils in einem sehr schlechten Zustand sind. Das beengte Wohnen in den Unterkünften, in denen oft Privatsphäre nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist, führt zu vielen sozialen Spannungen, ist psychisch oft sehr belastend und erschwert oder verhindert gar soziale Teilhabe. Sammelunterkünfte sind Zwangswohnformen. Menschen, die dort untergebracht sind, dürfen weder über ihren Wohnort noch über die Unterbringungsform entscheiden. Notwendig ist vor allem eine sichere, selbstbestimmte und menschenwürdige Unterbringung. Nur das dezentrale Wohnen kann gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und auch effektiv Rassismus und Vorurteilen entgegenwirken. „Wir appellieren deshalb an die zukünftigen Landesregierungen, sich für eine den Grund- und Menschenrechten verpflichtete Flüchtlingspolitik einzusetzen. Wir erwarten, dass sie sich entschieden gegen Rechtspopulismus und für eine flüchtlingsfreundliche und solidarische Gesellschaft stark machen“, sagt Kirstin Neumann vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
„Die Entscheidung der Landesflüchtlingsräte, sich in diesem Herbst in Dresden zu treffen, fiel aus Solidarität mit jenen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die unter schwierigen Bedingungen wichtige Arbeit leisten. Sich aktiv für Menschenrechte, für die Rechte von Geflüchteten einzustehen, bedeutet aber nicht nur dort, sich angreifbar für Rassist*innen zu machen“, betonte Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat. "Die bundesweiten Verschärfungen in der Asylgesetzgebung liefern hierfür den Nährboden."
Dass eine Partei, die das Grundrecht auf Asyl abschaffen will, nicht stärkste Kraft geworden ist, ist aus Sicht der Landesflüchtlingsräte kein Grund, durchzuatmen. Für die Landesflüchtlingsräte liegt nun auf der Hand: Es bedarf einer grundlegenden Umkehr in der Asylpolitik, um glaubhaft ein deutliches Zeichen gegen Rechts zu setzen. Viel mehr noch, eine solche Umkehr muss den Menschen, die nach Deutschland kamen um Schutz zu suchen, Sicherheit und Freiheit zurückgeben.
„Immer mehr Geflüchtete in Lagern unterzubringen, in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan abzuschieben, ein neues Geflüchtetenprekariat durch Instrumente wie die "Duldung light" zu schaffen - diese und weitere Praktiken müssen beendet und in ihr Gegenteil verkehrt werden!“, forderte Günter Burkhardt von Pro Asyl und erinnerte an Erich-Kästners Mahnung: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist.“