Bereits am 6. August diesen Jahres wies der Flüchtlingsrat Thüringen auf unhaltbare Zustände in der überfüllten Suhler Erstaufnahmestelle hin. Mehrfach wurden in der Vergangenheit Berichte von untergebrachten Flüchtlingen und HelferInnen an den Flüchtlingsrat herangetragen, wonach unter anderem die medizinischen und hygienischen Bedingungen nicht tragbar sind. Auch rechtlich garantierte Geldleistungen für die täglichen Bedarfe der Schutzsuchenden wurden teilweise nicht ausgezahlt, was die Hausleitung dem Flüchtlingsrat am 22. Oktober bestätigte. Nach einem Besuch der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Suhl Ende Juli diesen Jahres, räumte Ministerpräsident Ramelow Defizite ein und gelobte sofortige Besserung. Nachdem der Flüchtlingsrat im Oktober ein anonymes Schreiben über Probleme im Management der Aufnahmestelle und der Versorgung der Schutzsuchenden erhielt, tauchte nun bei der US-Nachrichten-Website Buzzfeed ein aktueller Bericht eines in Suhl Untergebrachten Asylbewerbers auf und bestätigte, dass sich offensichtlich nichts geändert hat. Nun stehen zudem auch Korruptionsvorwürfe im Raum.
In den Thüringer Erstaufnahmestellen gibt es kein unabhängiges Beschwerdemanagement. Flüchtlingen ist es kaum ermöglicht, transparent und in Vertrauen über Missstände zu sprechen. Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat Thüringen sagt dazu: "Mir sind nur sehr wenige Flüchtlinge bekannt, die sich trauen, Missstände oder schwerwiegende Rechtsbrüche anzusprechen. Viele befürchten negative Auswirkungen auf ihr Verfahren oder werden sogar unter Druck gesetzt. Oft sind Schutzsuchende sich selbst überlassen". Den aktuellen Vorwürfen zu Folge, haben MitarbeiterInnen der Landesaufnahmestelle in Suhl auf Beschwerden mit der Aussage reagiert, man solle doch zurück nach Syrien gehen. Aussagen dieser Art sind kein Einzelfall. Im November 2014 gelang es der ARD Aussagen dieser Art vom Leiter der Ausländerbehörde Sömmerda mit versteckter Kamera festzuhalten. Ein solches Verhalten zeigt die mangelnde Sensibilität und Eignung einiger MitarbeiterInnen. Der Flüchtlingsrat Thüringen fordert bereits seit langem ein niedrigschwelliges und unabhängiges Beschwerdemanagement in den Unterkünften. Auch MitarbeiterInnen wäre es dann möglich, kritische Zustände offen anzusprechen. Zudem muss die von freien Trägern und anderen Servicedienstleistern erbrachte Arbeit, regelmäßig überprüft werden. "Hier ist auch das Landesverwaltungsamt als Aufsicht gefragt. Es müssen dringend Qualitätsstandards sowie mehr und geschultes Personal her, damit die vor Ort geleistete Arbeit zuverlässig und transparent passiert. Dabei sind interkulturelle Schulungen und die Möglichkeit einer Supervision auch im Interesse der MitarbeiterInnen dieser Erstaufnahmeeinrichtungen." so Ellen Könneker weiter.
Die katastrophalen hygienischen Bedingungen wurden bereits mehrfach vom Flüchtlingsrat kritisiert. Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow schätzte die Situation im Juli als untragbar ein. Der Flüchtlingsrat fordert, dass die Gesundheitsversorgung sowie die hygienischen Bedingungen nun vom Gesundheitsamt vor Ort begutachtet werden. Ellen Könneker dazu: "Es ist absolut fahrlässig, wenn in einer Unterkunft mit knapp 2000 Menschen Mindeststandards nicht eingehalten werden. Das gefährdet die Gesundheit der dort Untergebrachten erheblich. Es darf nicht dazu kommen, dass Menschen durch Thüringer Erstaufnahmelager krank werden oder Verletzungen nicht behandelt werden.".
Der Flüchtlingsrat Thüringen fordert zudem eine bessere Informationspolitik innerhalb der Aufnahmeeinrichtung, um die BewohnerInnen über den Ablauf der Aufnahme und ihre Rechte ausreichend zu informieren. Dazu Ellen Könneker: "Die meisten Flüchtlinge verstehen die Abläufe innerhalb der Erstaufnahmestellen nicht. Einige werden mehrfach von Einrichtung zu Einrichtung verlegt, andere erhalten schneller ihren Transfer in die Landkreise. Die meisten Informationen werden nicht systematisch und mehrsprachig mitgeteilt. Wenn dann noch für über 150 Flüchtlinge gerade mal eine Person der sozialen Betreuung zur Verfügung steht, ist es kein Wunder, dass die Verunsicherung sehr groß ist.".
AsylbewerberInnen sind nur für eine begrenzte Zeit in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Im Anschluss folgt die Verteilung in Landkreise. "Wenn in Suhl untergebrachte Menschen immer wieder von katastrophalen Zuständen berichten, klingen die offiziellen Aussagen immer unglaubwürdiger." so Ellen Könneker. Einige der anklagenden Flüchtlinge haben aus Angst vor Repressalien die Landesaufnahmestelle in Suhl eigenständig verlassen. Der Flüchtlingsrat Thüringen fordert, dass die betroffenen Personen schnellstmöglich in den Kommunen untergebracht werden und das Asylverfahren zügig durchlaufen können. Das Landesverwaltungsamt hat seiner Aufsichtspflicht nachzukommen und die Vorwürfe gemeinsam mit den eingebundenen Trägern und Dienstleistern sorgfältig zu prüfen. Insbesondere die Asylsuchenden müssen dabei ernst genommen werden und in diesem Prozess ausgiebig Gehör finden. Ein Geflüchteter berichtete Buzzfeed-News auch von Korruption. So seien von einigen MitarbeiterInnen gegen Bargeld oder Wertgegenstände, schnellere Verlegung in Landkreise oder bessere Unterbringungsbedingungen angeboten wurden. Diese Vorwürfe wiegen schwer und müssen entsprechend gründlich und sensibel geprüft werden. "Die meisten Asylsuchenden haben Angst, dass sich Beschwerden und Vorwürfe dieser Art negativ auf ihr Asylverfahren auswirkt. Die Sorge vor Repressalien ist sehr groß. Nun ist das Landesverwaltungsamt in der Pflicht, die Betroffenen am Aufklärungsprozess zu beteiligen und dabei nicht erneut in Suhl unterzubringen. Nur so ist eine faire Aufarbeitung und der Schutz aller Betroffenen möglich.", so Ellen Könneker weiter.
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