Der Flüchtlingsrat begrüßt die Auseinandersetzung des Thüringer Landtages in dieser Woche mit der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen und fordert die Einführung einer Krankenkassenkarte für AsylbewerberInnen. In Bremen und Hamburg wird dieses Modell bereits seit Jahren angewendet.
Das Recht auf medizinische Versorgung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Die derzeit vorherrschende Praxis bei Asylsuchenden führt dazu, dass einfach zu behandelnde Erkrankungen sich zu akuten Notfällen zuspitzen können, Schmerzzustände werden unnötig verlängert und entsprechen nicht einer gleichwertigen medizinischen Versorgung. „Die Krankenkassenkarte erleichtert den Zugang zu medizinischen Maßnahmen erheblich“ sagt Ellen Könneker vom Flüchltingsrat. Bisher sind Genehmigungen durch das Sozialamt bzw. Gesundheitsamt Grundlage für eine Überweisung und medizinische Behandlung. „Diese Handhabung ist für Krankheitszustände – insbesondere auch für eine dringende Behandlungsbedürftigkeit – inakzeptabel“, so Könneker weiter.
Mit jeder Einzelfallprüfung durch das zuständige Sozialamt bzw. Gesundheitsamt ist ein überflüssiger bürokratischer Akt geschaffen worden, der auch (Zahn-)ÄrztInnen in Thüringen zunehmend belastet. Sie stehen im Dilemma, ihren ärztlichen Pflichten nachzukommen, diese Hilfe und Behandlung aber im Nachhinein ggf. nicht ersetzt zu bekommen.
Seit vielen Jahren weist der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. auf die mangelhafte (zahn-)ärztliche Versorgung von AsylbewerberInnen sowie Geduldeten in Thüringen hin. Der Freistaat präsentiert sich gern als weltoffenes und modernes Bundesland. Mit der Einführung einer Krankenkassenkarte für AsylbewerberInnen sowie Geduldete kann diese Ansage nun mit Leben gefüllt werden und dazu beitragen, dass sich diese Menschen auch willkommen fühlen.
Zum Hintergrund:
Nach heutiger Praxis werden akute Erkrankungen und Schmerzzustände nach § 4 AsylbLG zwar behandelt um eine Linderung von Krankheiten herbeizuführen. Hierbei handelt es sich jedoch häufig um die Minimalbehandlung. Das führt beispielsweise bei einer Zahnerkrankung dazu, dass ein Zahn eher gezogen wird auch wenn dessen Erhalt möglich und den heutigen Standards ärztlicher Fähigkeiten entspräche. Seit 2005 erhalten Leistungsberechtigte nach §§ 4/6 AsylbLG in Bremen eine Krankenkassenkarte der AOK Bremen. Die Leistungen erbringt dort die AOK auf Grundlage eines Vertrags nach § 264 Abs. 1 SGB V mit der Bremer Sozialbehörde. Das Land Hamburg hat dieses Modell seit Juli 2012 übernommen. Die AOK Bremen erhält für ihren Aufwand eine Verwaltungspauschale pro Person im Monat und rechnet mit dem Land Bremen die real entstandenen Behandlungskosten ab. Einige Leistungen stehen unter Vorbehalt, wie beispielsweise Zahnersatz, kieferorthopädische Behandlungen, etc. Hier behält sich das Sozialamt unter Einbezug von Gesundheitsamtbzw. Sachverständigen eine Entscheidung vor.