2. Juni 2021
Die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete braucht eine sachliche und differenzierte Kritik und keine Stimmungsmache gegen die Bewohner:innen

Über die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) in Suhl wird aktuell (wieder) viel diskutiert und gar per Petition die Schließung der Einrichtung gefordert. Soweit nichts Neues, denn bei sämtlichen Erstaufnahmeeinrichtungen kam es in der Vergangenheit in Thüringen im Umfeld von Aufnahmeeinrichtungen zu Protesten, politischer Meinungsbildung und einer irgend gelagerter Berichterstattung. Selten ging es dabei um die Verbesserung der Aufnahmebedingungen oder die Wahrung von grundrechtlichen Standards für die Schutzsuchenden. So auch in der aktuellen Debatte nicht. In den vielen Medienberichten sind häufig die Aussagen einiger Anwohner:innen und insbesondere die des Oberbürgermeisters der Stadt Suhl André Knapp abgebildet. Dabei geht es um Einbrüche, Diebstähle und ein stark in Mitleidenschaft gezogenes Sicherheitsgefühl einiger Menschen im Umfeld der EAE und letztlich um die Forderung nach Schließung der Einrichtung. Die 425 Bewohner:innen (Stand 21. Mai 2021), darunter auch viele Familien und alleinreisende Frauen mit Kindern, kommen dabei nicht zu Wort. Doch auch sie haben neben ihren Fluchterfahrungen ein etwaiges Sicherheitsgefühl und leiden unter den Konflikten in- und außerhalb der Einrichtung und unter der allzu oft einhergehenden Generalisierung. Dem gegenüber steht die populistische Forderung nach einem höheren Zaun. Die Probleme innerhalb und außerhalb der Einrichtung sind zu vielfältig, als dass repressive Maßnahmen eine auch nur ansatzweise hilfreiche Antwort darstellen könnten – im Gegenteil. Unbefugtes Betreten sämtlichen Personals in den wenigen Quadratmetern Wohnfläche, die den Geflüchteten in der EAE jeweils zur Verfügung stehen, wurde auf Druck der Bewohner:innen und des Flüchtlingsrates erst kürzlich eingestellt und wird von den Bewohner:innen als wichtiger Bestandteil eines Respektes ihrer Privatsphäre und Achtung ihrer Grundrechte gesehen. Auch lokale Politik wird den Problemlagen also nur durch eine sachliche und differenzierte Debatte gerecht.

Die EAE in Suhl hat seit Langem ein Managementproblem. Die häufigen Wechsel der Hausleitung, die Probleme bei der Versorgung auch außerhalb pandemischer Lagen und ein scheinbar nicht gut gelingen wollendes Konfliktmanagement zeugen davon. Bisher gibt es auch kein gut funktionierendes Konzept zur Identifizierung, Versorgung und Verteilung für besonders vulnerable Menschen mit teilweise schwerwiegenden Erkrankungen oder Einschränkungen wie es gesetzliche Vorgaben vorsehen würden. Daran muss dringend in einem strukturierten Prozess gearbeitet werden – ansonsten können soziale Konfliktlagen innerhalb der Kasernierungssituation nicht abgestellt werden. Einen höheren Zaun oder andere repressive Maßnahmen zu fordern, löst keines der genannten Probleme in den Aufnahmebedingungen. Eine rasche Verteilung in Wohnungen in die Landkreise und kreisfreien Städte, um den Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, muss darüber hinaus zentrales Ziel sein.

Eine verantwortungsvolle lokale Politik und die Stadt Suhl, die die Interessen der hinzukommenden Menschen nicht ausblendet, sollten sich für ein Ankommen in Würde und Sicherheit stark machen. Generalisierungen über die beständig wechselnden Bewohner:innen sollte entschieden entgegen getreten und kein Raum für Hass und Hetze gefördert werden. Die Leidtragenden sind vor allem die Schutzsuchenden. Die aktuell hochkochende verbale Stimmungsmache und eine Politik auf dem Rücken von Schutzsuchenden bereiten allein den Weg für Gewalttaten und sind kein Ausgangspunkt für eine konstruktive Diskussion. Die Aufnahme und der Schutz von Schutzsuchenden ist eine rechtliche Verpflichtung der staatlichen aber auch eine entscheidende Aufgabe  der lokalen Akteure mit viel Verantwortung in die Gesellschaft hinein. Diese gemeinsame Aufgabe darf insbesondere im beginnenden Wahlkampf nicht zum  Spielball der Politik geraten.

      

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