Am 1. September 2024 ist Landtagswahl in Thüringen. Rund 1,6 Millionen Wahlberechtigte dürfen ihre Stimme abgeben. Doch in Thüringen leben auch schätzungsweise über 136 000 Menschen, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht wählen dürfen. Diese beiden Gruppen will eine Erfurter Initiative zusammenbringen.
Wahlberechtigte Thüringer:innen kommen in den Austausch mit Menschen, die nicht an der Wahl teilnehmen dürfen oder können – das ist die Idee der Wahlpatenschaft. Die beiden Wahlpat:innen oder auch „Wahlbuddies“ genannt, finden durch eine Erfurter Initiative zusammen.
„Wer sich mit Menschen ohne Wahlrecht solidarisieren will oder einfach keine Lust mehr hat, selbst wählen zu gehen, kann von uns den Kontakt zu einem Wahlbuddy bekommen“, erklärt Franziska B. Sie ist eine der Organisator:innen für die Wahlpatenschaft. Bei der Initiative ginge es vor allem darum, bei der persönlichen Wahlentscheidung auch die Perspektiven von Nicht-Wahlberechtigten einfließen zu lassen.
Dazu Juliane Kemnitz, Projektkoordinatorin des Flüchtlingsrat Thüringen e.V.: „Wir setzen uns für ein aktives und passives Wahlrecht für alle Menschen, die in Deutschland leben. Das fördert die politische Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen und stärkt damit die Demokratie.“
Wahlbuddies für Menschen ohne deutschen Pass
Sultana Sediqi, Aktivistin für die Rechte von Migrant:innen in Thüringen, hatte die Idee angestoßen: „Ich und die Mehrheit der Tausenden illegalisierten, geflüchteten und migrantischen Menschen, die hier leben und deren Leben stark von der Politik beeinflusst wird, werden systematisch von den Wahlen ausgeschlossen. Das heißt also, während Politik gegen uns gemacht wird, dürfen wir nicht einmal wählen.“
Genaue Angaben, wie viele Menschen in Thüringen nicht wahlberechtigt sind, „seien unmöglich zu machen“, sagte ein Sprecher des Landesamts für Statistik. Eine erste Vorstellung gibt allerdings das Ausländerzentralregister des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Zum Stichtag am 30.09.2023 lebten über 136 100 Erwachsene (ab 18 Jahren) ohne deutschen Pass in Thüringen. Eine ähnliche Anzahl wird am 1. September aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft keine Wahlstimme haben.
Wahlbuddies für Menschen mit Handicap
Die Initiative will zudem bewirken, dass Wahlberechtigte ins Gespräch kommen mit Menschen, die bei Wahlen vor Barrieren stehen – Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung. Dazu Nancy Frind, Vorsitzende des Landesverband für Frauen mit Behinderungen in Thüringen e.V.: „Jeder Mensch hat das Recht, zu wählen, aber die Politik nimmt uns nicht mit.“ Barrieren sieht sie beispielsweise darin, dass Wahlprogramme und
–werbung nicht auf leichter Sprache verfasst sind, dass nicht alle Wahllokale für Rollstühle zugänglich sind oder dass bei blinden Wähler:innen keine Assistent:innen in die Kabine dürfen, um die richtige Stelle für das Kreuz zu zeigen. „Barrierefreiheit muss für jeden gegeben sein“, appelliert die Vorsitzende.
Wahlbuddy werden
Interessierte an der Wahlpatenschaft können sich noch bis zum 29. August 2024 anmelden. Dafür reicht eine formlose Mail an: buddy24@tutamail.com. Das ehrenamtliche Team der Initiative vermittelt die Kontakte. Den Austausch suchen die Wahlbuddies selbständig.