Der Bundesrat hat den erneuten Verschärfungen im AsylbLG zugestimmt und auch das "Geordnete-Rückkehr"-Gesetz passieren lassen. Thüringen hat dem besser als "Hau-ab-Gesetz" bezeichneten Vorstoß per Enthaltung nicht zugestimmt.
Mit Baden-Württemberg und Hessen haben zwei schwarz-grün regierte Länder gegen eine Anrufung des Vermittlungsausschuss und somit zur Überarbeitung des Gesetzesentwurfs gestimmt. Die in der Stellungnahme des Bundesrats formulierte Kritik an der "Zwangsverpartnerung" von Bewohner*innen von Sammelunterkünften blieb dabei unbeachtet:
Die Annahme, beim Zusammenleben fremder erwachsener Menschen in Gemeinschaftsunterkünften ergäben sich im Alltagsleben Synergieeffekte, die der Situation innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft entsprächen und eine Senkung der Regelleistung rechtfertigen könnten, entbehrt jeder empirischen Grundlage. Gerade bei gemeinschaftlicher Unterbringung von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und sozialer Hintergründe auf relativ engem Raum erscheint ein erzwungenes Teilen von Leistungen, die das sozio-kulturelle Minimum damit wieder unterschreiten, in hohem Maße unrealistisch und geeignet, zusätzliches Konfliktpotential in den Unterkünften zu schaffen. Daher sind die entsprechenden Passagen bezogen auf die die Grundleistungen nach § 3a neu zu streichen.
Nachfolgend die jeweiligen Tagesordnungspunkte aus der Presseerklärung des Bundesrates:
TOP 3
Bundesrat erteilt Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes Zustimmung
Die Grundleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden neu bemessen und weiterentwickelt: Der Bundesrat hat am 28. Juni 2019 entsprechenden Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes zugestimmt.
Neufestsetzung der Bedarfssätze
Die beschlossene Neufestsetzung passt die Asylbewerberleistungen stärker an die Sozialhilfe bzw. die Grundsicherung für Arbeitssuchende an. Die Kosten für Strom und Wohnungsinstandhaltung werden aus den bisherigen Geldleistungen herausgerechnet, weil sie als Sachleistungen erbracht werden.
Neue Bedarfsgruppe für Sammelunterkünfte
Außerdem gibt es künftig eine eigene Bedarfsgruppe für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Sammelunterkünften. Ihre Leistungen fallen geringer aus. Wegen der sich in den Unterkünften ergebenden Synergieeffekte, heißt es zur Begründung.
Die neuen Leistungssätze
Nach der Neuberechnung sinkt der Geldbetrag für Alleinstehende von derzeit 354 auf 344 Euro. Für Paare in einer Wohnung reduziert er sich von 318 auf 310. Ebenfalls 310 Euro gibt es bei einer Unterbringung in Sammelunterkünften. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren bekommen mit 275 Euro künftig einen Euro weniger. Erwachsene, die unter 25 Jahre sind und bei ihren Eltern leben, sollen ebenfalls 275 Euro erhalten.
Lückenlose Unterstützung
Darüber hinaus beendet der Gesetzesbeschluss die Lücke bei der Unterstützung studier- und ausbildungswilliger Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldeter: Der bisherige Leistungsausschluss nach § 22 SGB XII wird bei ihnen nicht mehr angewendet.
Der Freibetrag für Ehrenamtliche
Ebenfalls neu ist der Freibetrag für ehrenamtliche Ausländerinnen und Ausländer. Sie dürfen bis zu 200 Euro der Ehrenamtspauschale anrechnungsfrei behalten - zusätzlich zu ihren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Zum Hintergrund
Entsprechend einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2012 müssen die Leistungen für Asylsuchende regelmäßig an die Einkommens- und Verbrauchsstichproben des Statistischen Bundesamtes angepasst werden. Laut Gesetzentwurf wurden die Leistungen zuletzt 2015 angehoben. Der Versuch einer grundlegenden Neuregelung scheiterte 2016 im Bundesrat. Seitdem gelten die alten Leistungssätze fort.
Unterzeichnung und Inkrafttreten
Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Es soll einen Monat nach Verkündung in Kraft treten.
TOP 9
Geordnete-Rückkehr-Gesetz
Bundesrat lässt Geordnete-Rückkehr-Gesetz passieren
Der Bundesrat hat am 28. Juni 2019 das vom Bundestag beschlossene Geordnete-Rückkehr-Gesetz gebilligt. Es soll abgelehnten Asylbewerbern und Asylbewerberinnen erschweren, ihre Abschiebung zu verhindern.
Abschiebehaft wird ausgeweitet
Hierfür wird unter anderem die Abschiebehaft ausgeweitet. Um ein Untertauchen zu verhindern, ist es künftig leichter möglich, ausreisepflichtige Personen in Sicherungshaft zu nehmen. Außerdem erleichtert das Gesetz den Ausreisegewahrsam.
Neu eingeführt wird die Mitwirkungshaft: Hierüber könnten Betroffene für 14 Tage in Haft genommen werden, wenn sie einer Anordnung für einen Termin an der Botschaft des vermutlichen Herkunftsstaates oder einer ärztlichen Untersuchung der Reisefähigkeit nicht nachgekommen sind.
Unterbringung künftig auch in normalen Gefängnissen
Ebenfalls neu: Künftig können ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer für die Abschiebehaft auch in regulären Justizvollzugsanstalten untergebracht werden statt wie bisher ausschließlich in gesonderten Abschiebehafteinrichtungen. Auf diese Weise soll sich die Zahl der Haftplätze von aktuell 487 nahezu verdoppeln.
Neuer Duldungsstatus
Außerdem wird ein neuer Duldungsstatus für Personen mit ungeklärter Identität eingeführt. Er soll greifen, wenn es eine ausreisepflichtige Person selbst zu verantworten hat, dass sie nicht abgeschoben werden kann, beispielsweise aufgrund eines fehlenden Passes. An den Duldungsstatus sind eine Wohnsitzauflage und ein Beschäftigungsverbot geknüpft.
Strafrechtliche Konsequenzen
Darüber hinaus stuft das Gesetz Informationen zum konkreten Ablauf einer Abschiebung strafrechtlich als Geheimnis ein. Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst Verpflichtete können sich demnach strafbar machen, wenn sie diese Informationen verbreiten. Wegen Anstiftung oder Beihilfe zu der Tat könnten dann auch Flüchtlingshelferinnen und Helfer oder Beschäftigte von Beratungsstellen belangt werden.
Weitere Verschärfungen
Weitere Verschärfungen betreffen Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land anerkannt wurden und dann nach Deutschland kommen: Statt Sozial-, erhalten sie nur noch Überbrückungsleistungen. Leistungseinschränkungen treffen auch Personen, die im Asylverfahren gegen ihre allgemeinen Mitwirkungspflichten verstoßen oder eigene Finanzmittel verschweigen. Zudem sollen straffällige Asylsuchende leichter ausgewiesen werden können.
Bundestag ging noch weiter
Der Bundestag hatte den ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung am 7. Juni 2019 nach einer kontroversen Debatte beschlossen. Dabei sind weitere Verschärfungen hinzugekommen: Behörden haben künftig das Recht, die Wohnung Ausreisepflichtiger zu betreten, um sie leichter fassen zu können. Personen können in Ausreisegewahrsam genommen werden, wenn sie die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage überschritten haben. Asylbewerberinnen und Asylbewerber ohne Kinder können künftig bis zu eineinhalb Jahren statt bislang sechs Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden.
TOP 12
Fachkräfteeinwanderung
Bundesrat billigt Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Ausländische Fachkräfte werden es künftig leichter haben, nach Deutschland zu kommen. Der Bundesrat hat am 28. Juni 2019 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz gebilligt. Es richtet sich an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten, die hier arbeiten möchten.
Wer einen Vertrag hat, kann kommen
Nach dem Gesetz darf jede Person in Deutschland arbeiten, die einen Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation vorweisen kann. Die Beschränkung auf so genannte Engpassberufe, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind, entfällt. Auch auf die bislang verpflichtende Vorrangprüfung, ob nicht auch Deutsche oder EU-Bürgerinnen und EU-Bürger für die Stelle in Frage kommen, wird grundsätzlich verzichtet. Ausnahme: Es gibt Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.
Arbeitssuche
Probeweise wird ermöglicht, dass Menschen mit Berufsausbildung bis zu sechs Monate in Deutschland bleiben können, um sich eine Stelle zu suchen. Sozialleistungen erhalten sie in dieser Zeit nicht. Außerdem müssen sie nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt während des Aufenthaltes gesichert ist. Die Regelung ist auf fünf Jahre befristet. Außerdem verbessert das Gesetz die Möglichkeiten, sich in Deutschland mit dem Ziel weiter zu qualifizieren, den Abschluss anerkennen zu lassen.
Änderungen des Bundestages
Der Bundestag hat den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung am 7. Juni 2019 beschlossen und dabei in einigen Aspekten geändert. Verschärft hat er die Anforderungen an ausländische Personen ab 45 Jahren, die nun für einen Aufenthalt zur Beschäftigung ein Mindestgehalt oder eine angemessene Altersversorgung nachweisen müssen.
Ländern etwas entgegnen gekommen
Erleichtert hat der Bundestag die Voraussetzungen für Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland einen Ausbildungsplatz suchen. Betroffene müssen nun nicht mehr einen Schulabschluss vorweisen, der zum Studium in Deutschland berechtigt. Ausreichend ist, dass der Abschluss ein Studium im Heimatland ermöglicht.
Mit der Änderung ist der Bundestag dem Bundesrat entgegen gekommen, der die Voraussetzungen zur Ausbildungsplatzsuche als zu hoch kritisiert hatte. Eine weitere Lockerung geht ebenfalls auf eine Forderung der Länder zurück und betrifft die Arbeitgeberseite: Anstelle von zwei hat sie künftig vier Wochen Zeit, der Ausländerbehörde mitzuteilen, wenn ein Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet wurde.
TOP 13
Beschäftigungsduldung
Bessere Perspektiven für gut integrierte Ausländer
Geduldete Ausländerinnen und Ausländer erhalten eine langfristige und rechtssichere Aufenthaltsperspektive in Deutschland. Der Bundesrat hat am 28. Juni 2019 das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung gebilligt. Es lockert die bereits existierenden Regeln für die Ausbildungsduldung und führt mit der Beschäftigungsduldung einen neuen Status ein.
Die Ausbildungsduldung
Die Ausbildungsduldung gilt danach künftig auch bei anerkannten Helfer- und Assistenzausbildungen - zumindest dann, wenn es sich um Engpassberufe handelt. Außerdem wird sichergestellt, dass Geduldete bundesweit eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung direkt weiterbeschäftigt werden.
Die Beschäftigungsduldung
Die Beschäftigungsduldung richtet sich an Geduldete, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und gut integriert sind. Die genauen Voraussetzungen für den Erhalt des Status sind der Besitz einer so genannten Vorduldung von 12 Monaten, eine gesicherte Identität, ein seit 18 Monaten bestehendes Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Stundenzahl von mindestens 35 Stunden, ein gesicherter Lebensunterhalt sowie hinreichende Sprachkenntnisse.
Neu: Stichtagsregelung
Der Bundestag hat den ursprünglichen Regierungsentwurf mit seinem Beschluss vom 7. Juni 2019 nur geringfügig verändert. Aufgenommen hat er eine Stichtagsregelung: Danach profitieren von dem Gesetz nur integrierte Geduldete, die vor dem 1. August 2018 eingereist sind.
Bundesrat hält die Hürden nach wie vor für zu hoch
Völlig unberücksichtigt ließ der Bundestag die von den Ländern im ersten Durchgang geforderten Lockerungen und Erleichterungen bei der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung. Der Bundesrat bedauert dies in einer begleitenden Entschließung ausdrücklich. Wegen der hohen Hürden sei zu befürchten, dass vielen Menschen der Zugang zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung verwehrt bliebe.
Gegebenenfalls neues Gesetz erforderlich
Die Bundesregierung fordert er auf, sorgfältig zu beobachten, in welchem Umfang die neuen Duldungstatbestände in Anspruch genommen werden. Gegebenenfalls müsse sie ein Gesetz vorlegen, das den Zugang zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung entsprechend der Vorschläge der Länder verbessert. Genau prüfen solle die Bundesregierung auch, ob der mit dem Geordneten-Rückkehr-Gesetz beschlossene neue Duldungsstatus bei ungeklärter Identität, Auswirkungen auf die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt hat.
Unterzeichnung und Inkrafttreten
Das Gesetz wird nun über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Es soll zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.