Uns liegt ein Bericht einer Mutter vor, nach dem am 17. September 2018 zwei Uhr nachts Polizist*innen und Mitarbeiter*innen der Ausländerbehörde Erfurt Frau R. und ihren Sohn nach der sogenannten Dublin-Verordnung in einen anderen EU-Staat abschieben wollten, obwohl die minderjährige Tochter nicht vor Ort war. Die Polizei sei dabei aggressiv vorgegangen und hätte die beiden immer wieder angeschrien und gefragt, wo die Tochter sei. Trotz dessen, dass Frau R. und ihr Sohn den Aufenthaltsort der Tochter nicht kannten, wurden sie aufgefordert ihre Sachen zu packen und in das Polizeiauto zu steigen. Mutter und Sohn saßen völlig verängstigt mit dem Glauben im Polizeiauto, dass sie nun von der minderjährigen Tochter getrennt und ohne sie abgeschoben würden. Nach einer kurzen Fahrt wurden die zwei wieder zurück in die Sammelunterkunft gebracht. Die Familie konnte das gesamte Vorgehen nicht verstehen, da kein*e Dolmetscher*in anwesend war.
Bericht über den Einsatz am 17. September 2018:
Um 2.00 Uhr klopfte jemand an meine Wohnungstür. Ich war mit A. zu Hause. Wir schliefen zuvor. Es klopfte sehr stark und ich hatte große Angst. Ich wachte richtig auf. Ich öffnete und da war Polizei. Es war, als ob sie einen Kriminellen suchen. Es waren ungefähr 12 - 13 Polizisten. Eine Polizistenfrau war sehr aggressiv. Sie hatte meine Akte in der Hand. Sie hat mich mit ihrer Hand mehrmals weggeschoben. Sie kamen rein. Sie dachten zunächst, dass mein Sohn über 18 Jahren alt ist. Er sollte deshalb seine Sachen packen und alleine mitkommen. Ständig sagte jemand: „Schnell, schnell!“ Dann fragte ein Polizist nach seinem Ausweis. Da dachte ich, dass sie bestimmt denken, dass er über 18 Jahre alt ist. Er hat sofort seinen Ausweis hingegeben, er ist erst 15 Jahre alt. Nachdem sie feststellten, dass er 15 ist, sagten sie „Ach so“. Dann fragten sie, wo meine Tochter ist. Ich sagte ihnen, dass meine Tochter zum Übernachten bei einer Freundin ist. Sie durfte dort übernachten. Ich weiß nicht, wo die Leute wohnen. Sie haben mich angeschrien: „Nein!! Nein!! Wo ist deine Tochter?“
Die Polizei brach ein verschlossenes leeres Zimmer auf, weil sie meine Tochter dort vermuteten. Dann habe ich meinen Bruder angerufen und wollte, dass er mit der Polizei spricht. Sie warfen das Handy jedoch weg. Dann schrien sie noch lauter. Einige Polizisten waren jung und verhielten sich sehr zurückhaltend und respektvoll. Die Frau mit der Akte war sehr aggressiv. Von der Ausländerbehörde war eine Frau und ein Mann in anderer Kleidung dabei. Dann wollten sie das Handy von A. haben und er gab es ab. Sie sagten ihm, dass er seine Schwester anrufen soll. Er tat dies, aber seine Schwester ging mitten in der Nacht nicht an das Handy. Die Frau sagte, dass wir schnell einpacken sollen und mitkommen sollen. Sie fragte immer weiter, wo die Tochter ist. Es war die ganze Zeit kein Dolmetscher dabei. Beim Packen sahen die Polizisten und die Behördenmitarbeiter den gesamten Schrank, in dem von uns allen die Kleidung ist. Sie fragten nach meiner Handtasche und ich gab sie ihnen. Sie haben alles raus gekippt auf den Tisch und dann haben sie meine Geldbörse geleert. Die Polizei hat dann mein Geld mitgenommen. Ich wollte dann meine Sachen wieder in die Handtasche packen, jedoch wurde ich durch die Frau weggestoßen. Mein Sohn sah dies und war wie geschockt.
Wir haben unsere Sachen eingepackt. Ich habe gesagt, dass ich nicht mitkommen kann, weil meine Tochter nicht da ist. Die Frau versuchte mit meinem Handy und mit dem Handy meines Sohnes meine Tochter anzurufen. Aber meine Tochter wachte nicht auf. Dann waren wir alle mit Polizeiauto. Wir fuhren in einen anderen Stadtteil. Die Frau war in einem anderen Auto gefahren. Die Fahrt dauerte in meiner Erinnerung 15 Minuten. Dann fuhren sie uns nach Hause. Als wir nach Hause kamen, sagte die Polizei etwas. Wir verstanden davon nichts. Sie gaben uns unsere Sachen zurück und mein Geld.[...]
Man könnte glauben dieses unhaltbare und aggressive Vorgehen von Polizei und Ausländerbehörde sollte die Familie unter Druck setzen. Dabei wird die Traumatisierung der Mutter und ihres 15-Jährigen Sohnes billigend in Kauf genommen. Die Abschiebung hätte an Ort und Stelle abgebrochen werden müssen, da die minderjährige Tochter nicht anwesend war. Der grundrechtliche Schutz der Familie muss gewahrt werden.