Situation in den Thüringer Landkreisen/ kreisfreien Städten mit Blick auf Corona
Hier geben wir eine Übersicht über die Situation in den Thüringer Landkreisen/ kreisfreien Städten mit Blick auf Corona (Stand 07.04.2020). Um diese aktuell zu halten, freuen wir uns über aktuelle Situationsbeschreibungen, Korrekturen und Bildmaterial insbesondere zur Wohnsituation in den Gemeinschaftsunterkünften. Wir werden die Namen der Abender*innen vertraulich behandeln. Infos können über folgendes Kontaktformular an uns gesendet werden.
Kontaktformular:
Situationsbeschreibung
Stand 07.04.2020
Unterbringung:
In einigen Unterkünften war die Belegung auf vor Corona nicht so dicht, so dass dort 1 bis max. 2 Personen in den Zimmern untergebracht sind, sich häufig aber weiterhin Küche und Sanitäranlagen mit vielen teilen. Familien sind oft weiterhin in einem Zimmer untergebracht, was allgemein, aber auch im Besonderen in Anbetracht von Schul- und Kita-Schließungen und beschränkten Möglichkeiten außerhalb des Zimmers und erst Recht bei ggf. Quarantänemaßnahmen eine erhebliche zusätzliche Belastung auf so engem Raum darstellt. Mancherorts wurden mit Blick auf Corona „Entzerrungen“ der Belegung vorgenommen (z.B. Weimarer Land, Unstrut-Hainich-Kreis, Sonneberg).
Wir haben auch Rückmeldungen, dass es in manchen Unterkünften noch nicht einmal „Entzerrungen“ der Belegung gegeben hat, so dass weiterhin mehrere Menschen sich ein Zimmer teilen müssen (z.B. in Weimar, Greiz, Wartburgkreis, Ilmkreis).
In vielen Unterkünften müssen die Bewohner*innen Küchen und Sanitärräume mit vielen gemeinsam nutzen. Abstandsregelungen sind in solchen Unterkünften nicht einhaltbar! Unerträgliche Maßnahmen für die Bewohner*innen in der Unterkunft, also im Wohnbereich der Menschen, wie sie die Stadt Weimar verhangen hat, sind uns aus keinem anderen Landkreis bekannt. In Weimar wurden Abstandsregelungen in der Unterkunft verhangen: max. 1 Person in der Küche, maßgeregelter Stuhlabstand im Gemeinschaftsraum, etc., die kontrolliert und sanktioniert werden sollen. Personelle Ressourcen sollten sinnvoller und effektiver für die unverzügliche Anmietung von Wohnungen genutzt werden, wo sich die Menschen tatsächlich schützen können!
Auch der Umgang mit Corona-Risikogruppen in den Unterkünften stellt sich sehr unterschiedlich dar. Mancherorts wurden Risikogruppen identifiziert (z.B. Hildburghausen, Sonneberg, min. in einem Teil der GUs in Nordhausen).
Wenn die Unterkunft bereits abgeschlossene Wohneinheiten hat, wurde das in dem Zusammenhang berücksichtigt. Andernfalls wurden die Personen in Einzelzimmern in den GUs untergebracht. Oftmals teilen sie sich dann aber weiterhin Sanitärraume und Küchen mit vielen anderen in der Unterkunft. Mancherorts scheint überhaupt nicht klar, wer die Überprüfung von Risikogruppen vornimmt, so dass davon auszugehen ist, dass hier keinerlei besonderen Vorkehrungen
getroffen werden! Auch in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes leben nach unseren Informationen besonders gefährdete Menschen auf engstem Raum!
Uns liegen keine Berichte vor, dass bislang zusätzliche Wohnungen angemietet worden, um Menschen mit Duldung/ Aufenthaltsgestattung unterzubringen, in denen sie sich selbst besser schützen können – noch nicht mal für Corona- Risikogruppen! Das ist aber dringendst erforderlich!
Quarantänevorkehrungen:
Aus einigen LKs haben wir erfahren, dass es intensive Quarantäne-Vorbereitungen gibt. Das scheint aber keineswegs überall der Fall zu sein bzw. sind evtl. Vorbereitungen nicht mit dem Personal in den Unterkünften abgestimmt. In jedem Fall sollte die Quarantäne einer ganzen Unterkunft unbedingt vermieden werden! Aus einer Unterkunft wurde uns berichtet, dass es eine 2-tägige Quarantäne gab, die zu massiver Verunsicherung bei den Bewohner*innen geführt hat, zumal sie keine genauen Informationen erhalten hätten, warum die Quarantäne verhangen wurde. Auch die massiven Probleme in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl zeigen deutlich, dass eine Quarantänemaßnahme für so viele Personen auf so engem Raum unbedingt vermieden werden sollte. Aus einigen LKs haben wir erfahren, dass Quarantäne-Zimmer oder –wohnungen vorgehalten werden (z.B. Nordhausen, Gotha). In 2 uns bekannten Unterkünften in Thüringen hat es bereits einen Corona-infizierte Menschen gegeben.
Auszahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz:
Nach den uns vorliegenden Rückmeldungen sind die Leistungszahlungen Ende März erfolgt. In einigen Landkreisen/ kreisfreien Städten wurden nun auch Zahlungen auf ein vorhandenes Bankkonto vorgenommen, andernfalls als Bargeld (z.B. Gera). In einigen LKs war das auch schon zuvor so üblich. Mancherorts wurde weiterhin nur Bargeld ausgezahlt, auch wenn ein Konto vorhanden ist (z.B. Erfurt). Es wurde uns von keinem LK berichtet, dass Leistungskürzungen nach §1a AsylbLG von Amtswegen aufgrund der derzeit fehlenden Rechtsgrundlage (keine Abschiebungen, keine Überstellungen) zurückgenommen wurden. Wir forderten bereits die Einstellung dieser unzulässigen Sozialleistungskürzungen. Das Zuständige Ministerium reagierte am 24. April 2020 in Anlehnung an weitere Bundesländer mit einer Erlassregelung. Auf Leistungskürzungen nach §1a AsylbLG bei Nichtmitwirkung Ausreisepflichtiger ist in Zeiten der Corona-Pandemie zu verzichten.
Verlängerung von Aufenthaltsdokumenten:
Nach den uns vorliegen Informationen sind Aufenthaltsdokumente (Duldungen, Gestattungen) in verschiedenen Formen verlängert worden:
- Geflüchtete haben Bescheinigungen erhalten, dass ihre Duldungen und Aufenthaltsgestattungen weiter gültig sind. Der alte Ausweis ist dann in Kombination mit der neuen Bescheinigung gültig. Dabei variiert die zeitlichen Dauer der Bescheinigung nach Landkreis und/ oder nach dem Aufenthaltsstatus - teils bis Ende Juni, teils bis September (z.B. Gera, Wartburgkreis, Erfurt, Schmalkalden-Meiningen, Altenburger Land, Ilmkreis),
- Dokumente werden nach individueller telefonischer, schriftlicher oder elektronischer Beantragung und ggf. Terminvereinbarung verlängert (z.B. Suhl, Saale-Orla-Kreis, Weimar),
- alte Dokumente müssen im Briefkasten der Ausländerbehörde oder in der Gemeinschaftsunterkunft abgegeben werden und werden dann verlängert und per Post oder über die Gemeinschaftsunterkunft an die Betroffenen zurückgegeben (z.B. Nordhausen, Wartburgkreis, Hildburghausen),
- abgelaufenen Dokumente wurden eingesammelt und stattdessen Ersatzbescheinigungen ausgestellt (z.B. Weimarer Land).
Gelegentlich habe es Probleme bei der Barauszahlung der Leistungen gegeben, wenn entsprechende Bescheinigungen noch nicht vorlagen. Als Problem wurde auch die Anmeldung neu ankommender Personen geschildert, da die Erst-Registrierung länger dauert aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit der zuständigen Behörden.
Erteilung von Arbeitserlaubnissen:
Arbeitserlaubnisse werden nach unseren Informationen in den Landkreisen weiter erteilt- die Beantragung muss elektronisch oder schriftlich erfolgen. Lediglich in Sonneberg kann das nach unseren Informationen aktuell nicht abgesichert werden.
Mehrsprachige Informationen an die Betroffenen: Da wir nur die Situation in den GUs abgefragt haben, liegen uns keine Informationen zu den in Einzelunterkünften lebenden Geflüchteten vor. Nach den uns vorliegenden Berichten sind in den Gemeinschaftsunterkünften mehrsprachige Informationsblätter zu Corona und Eigenschutzmaßnahmen ausgehängt wurden. Darüber hinaus wurde uns aus mehreren LKs berichtet, dass intensiv mit mehrsprachigem Material informiert wurde –entweder von Seiten der Behörden und/ oder Sozialbetreuung/ Vereine (z.B. Nordhausen, Jena, Sonneberg). Eine generelle Einschätzung, wie umfassend Geflüchtete aktuelle Informationen in einer ihnen verständlichen Sprache erhalten, lässt sich aus unseren Rückmeldungen nicht schließen.