Das Gesetzgebungsverfahren zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zur Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung steht kurz vor dem Abschluss. Im März wird im Bundestag voraussichtlich die erste Lesung stattfinden, der Bundesrat hat Empfehlungen ausgesprochen. "Leider muss immer noch konstatiert werden, dass im derzeitigen Entwurf diejenigen Schutzsuchenden, die bereits heute in Deutschland leben, ihre Potentiale nicht hinreichend entfalten können", kommentiert Juliane Kemnitz vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Zwar sieht eine neu eingeführte Duldung vor, dass die Abschiebung bei Beschäftigung ausgesetzt wird. Doch greift das neue Instrument nur für eine geringe Anzahl von gut integrierten, jedoch vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen. Kaum ein Betroffener wird es schaffen, 18 Monate vor der Erteilung beschäftigt gewesen zu sein und ein Jahr den Lebensunterhalt vollständig gesichert zu haben. "Die Erfahrungen zeigen bereits heute, dass Ausländerbehörden die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an abgelehnte Flüchtlinge verzögern oder verwehren", berichtet Kemnitz aus der Erfahrung im Projekt „BleibDran- Berufliche Perspektiven für Flüchtlinge in Thüringen. "Die Forderung eines Nachweises von 12 Monaten Lebensunterhaltssicherung ist unrealistisch und überzogen. In der Realität stellen wir fest, dass viele Menschen zwar arbeiten, aber der Lohn nicht ausreicht für die Lebensunterhaltssicherung, vor allem wenn es um Familien geht.“
Beschäftigte, für die der Gesetzgeber eine Aufenthaltssicherung verweigert, drohen ihre Arbeit zu verlieren, da den Unternehmen die Situation ohne die verbindliche Zusage einer Aufenthaltsperspektive zu unsicher ist. Das ist das Gegenteil von Beschäftigungssicherung und Potentialentfaltung.
Einem unkomplizierten Arbeitsmarktzugang stehen auch die neuen Erteilungsvoraussetzungen für die Ausbildungsduldung entgegen. Unter anderem müssen vollziehbar Ausreisepflichtige bereits sechs Monate geduldet sein, bevor sie die Ausbildungsduldung beanspruchen können. "Sollen die Ausländerbehörden erst einmal sechs Monate lang die Abschiebung organisieren und die Betroffenen in Angst und Schrecken versetzen, bevor eine Ausbildung und Aufenthaltssicherung ermöglicht wird? Das erscheint unmenschlich“, konstatiert Kemnitz. “Wir erwarten, dass Auszubildende sofort die Möglichkeit erhalten, ihre Ausbildungen anzutreten.“
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber auf einer vollständigen Identitätsklärung beharren sollte. Geflüchtete, die ihr Herkunftsland verlassen haben und auf gefahrvollen Wegen nach Deutschland geflohen sind, haben oft ein großes Problem, wenn es darum geht, einen neuen Pass zu besorgen. "Es muss insofern genügen, wenn alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen werden", fordert Kemnitz. Rechtlich fragwürdig ist zudem die geplante Regelung, dass künftig innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise die Identität geklärt sein muss, um eine Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung erhalten zu können. Während des Asylverfahrens darf von den Betroffenen keine Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden verlangt werden und nicht wenige Asylverfahren dauern länger als sechs Monate bis zur Klärung des Schutzstatus.
Bereits im November 2018 veröffentlichten neun Landesflüchtlingsräte, der Paritätische Wohlfahrtsverband - Gesamtverband, PRO ASYL, Teile des Bundesvorstands des DGB und weitere Verbände und Vereine eine umfassende Stellungnahme (PDF).
5. März 2019
Teilhabechancen stärken, Barrieren abbauen, neue Zugänge zum Arbeitsmarkt schaffen!
Download als PDF: