Zum internationalen Tag der Roma am 8.4.2016: Menschenrechte statt „sichere Herkunftsstaaten“
- Presseerklärung - Erfurt, 8. April 2016
Die Westbalkan-Staaten Serbien, Mazedonien, Bosnien Herzegowina, Kosovo, Albanien und Montenegro gelten nach deutschem Gesetz als sicher. Doch für Roma sind sie es nach vor nicht.
Der Flüchtlingsrat Thüringen protestiert gegen die pauschale Erklärung von „sicheren Herkunftsstaaten“ und der Massenabschiebung von Roma-Flüchtlingen in die Westbalkanstaaten. Dort stehen sie am untersten Ende der sozialen Hierarchie und sind vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt.
Auch wenn es auch Sicht der deutschen Asylbürokratie an Belegen für staatliche Verfolgung fehle, lässt sich in vielen Fällen nachweisen, dass die Staaten nicht vor Verfolgung schützen. Das allein kann laut Genfer Flüchtlingskonvention zu einer Flüchtlingsanerkennung führen.
In Serbien lag 2014 die offizielle Arbeitslosigkeit bei rund 30 Prozent. Bei den Roma ist die Arbeitslosigkeit deutlich höher. Nur auf dem Papier genießen alle BürgerInnen in Serbien Schutz durch den Staat. In der Praxis erleben insbesondere Schwule und Lesben, aber auch Angehörige ethnischer Minderheiten wie Roma Diskriminierungen in verbaler und physischer Form, ohne staatlichen Schutz zu finden. Tatbestände die auch nach dem UN Pakt für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Recht Schutzwürdigkeit bedingen.
EU-Staaten wie Deutschland bauen Druck auf südosteuropäische Staaten auf, damit vor allem Roma nicht in der EU um Schutz bitten. Dies fördert die Diskriminierung auf dem Balkan. Denn hier kommt es an den Grenzen zum „ethnischen Screening“ und Roma werden an der Ausreise gehindert.
Rückkehrende Roma erwarten regelmäßig Verelendung, Analphabetismus, rassistische Übergriffe und Ghettoisierung. Das haben Recherchen und Berichte von bereits zurückgekehrten Roma-Flüchtlingen bestätigt.
Vor diesem Hintergrund sollten EU und Bundesregierung sich endlich ernsthaft für die Einhaltung der Menschenrechte der Roma in den sogenannten Westbalkanstaaten einsetzen. Staaten, die Menschenrechte missachten, dürfen nicht zu »sicheren Herkunftsländern« erklärt werden. Die Verfassungswidrigkeit der Erklärung von Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu „sicheren Herkunftsländern“ wird von Norman Paech, Menschenrechtler aus Hamburg, in einem Gutachten ausführlich hergeleitet.
Roma, die vor Verfolgung fliehen, muss Schutz nach der »Genfer Flüchtlingskonvention« zustehen. Wer nicht will, dass Roma weiter fliehen müssen, muss sich für ihren uneingeschränkten Zugang zu Bildung, Arbeit und zum Gesundheitssystem in ihren Herkunftsländern und für die nachhaltige Durchsetzung ihrer politischen Teilhabe verwenden.
gez. Martin M. Arnold, Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Materialhinweise:
- Abgeschobene Roma in Serbien – Journalistische, juristische und medizinische Recherche (2013)
- Abgeschobene Roma im Kosovo – Journalistische, juristische und medizinische Recherche (2014)
- Abgeschobene Roma in Mazedonien - Juristische, journalistische und medizinische Recherchen (2015)
- Kontakt zu den HerausgeberInnen: www.alle-bleiben.info, admin(at)alle-bleiben.info Roma Center Göttingen e.V., Postfach 30 05, 37020 Göttingen
- Norman Paech: Verfassungswidrigkeit des Gesetzes über sichere Herkunftsstaaten Rechtsgutachten für die Europäische Rom und Sinti Union / 24. Mai 2015
- Dr. Karin Waringo: Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation