Flüchtlingsrat weist Forderungen des Erfurter Oberbürgermeisters als Verletzung von grundlegenden Menschenrechten zurück.
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. zeigt sich entsetzt über die Äußerungen des Erfurter Oberbürgermeisters und SPD-Landesvorsitzenden Andreas Bausewein in einem offenen Brief vom 25. August 2015 an die Bundeskanzlerin und den Thüringer Ministerpräsidenten.
„Bauseweins Forderungen die Schulpflicht für Kinder bis zur Klärung des Asylverfahrens auszusetzen, ist nicht zuletzt wegen der ungewiss langen Zeit des Verfahrens absolut inakzeptabel.“, kritisiert Martin M. Arnold vom Flüchtlingsrat. „Anstatt sich Herr Bausewein dafür einsetzt, irrsinnige und überbürokratische Asylverfahrensregeln abzustellen, plädiert er für die Verletzung grundlegender Menschenrechte auf Kosten schutzsuchender Kinder. Das ist nicht hinnehmbar. In Deutschland gehen Kinder zur Schule, daran gibt es nichts zu rütteln", so Arnold weiter.
Der Flüchtlingsrat warnt vor der Ausweitung vermeintlich "sicherer Herkunftsländer". Menschen die aus existenziell bedrohlichen Situationen fliehen, bekommen damit ihr Grundrecht auf Asyl verwehrt. "Wer sich einmal genauer mit der Situation in den Balkan-Ländern auseinandergesetzt hat, die Berichte internationaler Menschenrechtsorganisationen verfolgt hat, würde nicht so ohne weiteres von sicheren Herkunftsländern sprechen", so Arnold. Grundsätzlich haben alle Geflüchtete den Anspruch, dass ihr Asylgesuch in einem fairen Verfahren geprüft wird. Und hier gilt zunächst die Vermutung, dass sehr wohl ein triftiger Asylgrund vorliegt. Während des Asylverfahrens haben alle Geflüchteten einen Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung, medizinische Versorgung und eben bei Kindern auch auf Bildung. Dazu braucht es eine solidarische Bundespolitik und das gemeinsame Arbeiten aller Thüringer Verantwortlicher an Konzepten zur Aufnahme von geflüchteten Menschen. Es gibt keine Alternative zum Menschenrecht auf Asyl.
Andreas Bausewein hat als Landesvorsitzender der SPD-Thüringen noch vor sechs Monaten mit dem Anspruch auf eine „humane Flüchtlingspolitik“ den Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün unterzeichnet. Hier heißt es: „Am Umgang mit Flüchtlingen und der Integration von Migrantinnen und Migranten bemisst sich die Humanität einer Gesellschaft. Die Achtung der Grund- und Menschenrechte jedes und jeder Einzelnen ist Grundlage der Thüringer Flüchtlingspolitik. Allen, egal ob sie als Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder aus anderen Gründen nach Thüringen geflüchtet sind, soll mit Respekt und Würde begegnet werden. Dieser Anspruch soll sich im konkreten Verwaltungshandeln widerspiegeln. Unabhängig von der Chance auf die Anerkennung in einem Asylverfahren sollen alle eine unvoreingenommene, würdige und faire Behandlung erfahren.“
„Wir erwarten gerade jetzt bei der oft emotionsgeladenen Debatte, dass sich alle Thüringer Politikerinnen und Politiker ihrer Verantwortung stellen. Sowohl in der öffentlichen Debatte, als auch als Spitze ihrer Verwaltungen. Ein offener Brief, der Menschenrechte mit Füßen tritt, wird dieser Verantwortung nicht gerecht und macht Stammtischparolen weiter salonfähig“, so Martin M. Arnold abschließend.
Der Vorstand des Flüchtlingsrates legt dem Erfurter Oberbürgermeister nahe, seine Mitgliedschaft im Thüringer Flüchtlingsrat auf Grund seiner Äußerungen noch einmal zu überdenken.
Flüchtlingsrat Thüringen e.V.