7. Dezember 2021
Die Spitze des Eisbergs 2021 - die Nominierungen

Wir verleihen zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2021 die Spitze des Eisbergs. Seit dem Jahr 2000 vergeben wir jährlich den Preis an Behörden, Institutionen oder Einzelpersonen, die herausragende Anstrengungen bei der Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten unternommen haben. Besonders "gewürdigt" werden dabei vorauseilender Gehorsam, die exzessive Verletzung von Persönlichkeitsrechten sowie außergewöhnliche Bemühungen, die (rechtliche) Lage von Geflüchteten in Thüringen weiter zu verschlechtern.

 

 

 

Die Nominierungen 2021 im Überblick:

Die Ausländerbehörde Gera
Auch im Jahr 2021 zählt eine Ausländerbehörde zu den Nominierungen für die Spitze des Eisberges. In ganz Thüringen wurden Fälle bekannt, bei denen Ausländerbehörden Abschiebungen verordneten und dabei massiv in die Grundrechte von Geflüchteten eingriffen. Die Ausländerbehörde Gera ist hierbei durch besonders skrupelloses Verhalten bei der Trennung einer Familie aufgefallen und hat im Dezember vergangenen Jahres die Abschiebung eines Familienvaters von 3 Kindern nach Serbien veranlasst. Der von der Mutter getrennt lebende Vater hat sich nach Informationen des Flüchtlingsrates intensiv um seine Kinder gekümmert und weiterhin ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen gepflegt. Während die Mutter und die Kinder eine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Deutschland haben, lebt der Vater nun getrennt von ihnen in Serbien. Die Ausländerbehörde Gera gefährdet mit der Abschiebung eines Familienvaters nicht nur das Wohl der drei minderjährigen Kinder, sondern missachtet schlichtweg die für alle Menschen geltenden Grundrechte und den besonderen Schutz der Familie in Deutschland.

 

Oberbürgermeister André Knapp (Suhl)
Der Suhler Oberbürgermeister André Knapp hat es dank seines populistischen Engagements für die Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung auf die Liste der für die Spitze des Eisbergs 2021 Nominierten geschafft. Er hat dazu beigetragen, die Situation der Einwohner:innen der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl zu verschärfen. Zu Beginn der Corona-Pandemie ordnete er im März 2020 gar die Abriegelung der gesamten Erstaufnahmeeinrichtung nach einem aufgetretenen Corona-Fall an. In Folge kam es zu einem großen Polizeieinsatz, dessen Bilder bundesweit für Aufsehen sorgten. So wurden Bewohner:innen unter anderem durch den Einsatz von Schlagstöcken am Verlassen der Einrichtung gehindert. Aus einem Beschluss des Landgerichts vom September 2020 geht hervor: zum Zeitpunkt waren weder Bewohner:innen über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie informiert, noch war zum Zeitpunkt der Abriegelung ein rechtskräftiger Bescheid zur Quarantäne-Anordnung durch das zuständige Gesundheitsamt ergangen. Das Landgericht kommt in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass die Zwangsabsonderung vermeintlicher Störer nach Arnstadt willkürlich und rechtswidrig war. So sehen sich ankommende Bewohner:innen der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl seit Jahren einseitigen Debatten, Übergriffen und Vorverurteilungen ausgesetzt. Durch eklatantes Management der Einrichtung, Kettenquarantänen und die rechtskonservative Aufstellung einiger Parteien im Wahlkampf kippte abermals die Stimmung. Statt sich gegen solche Stimmungsmache zu positionieren und die Debatte zu versachlichen, hat Knapp sie befeuert. Er initiierte eine Petition, in der er die Bewohner:innen im Allgemeinen zum Gefahrenpotential stilisierte, rassistische Ressentiments bediente und der Vorverurteilung und Kriminalisierung ganzer Personengruppen in existenzieller Notlage Vorschub leistete.Zu Beginn der Corona-Pandemie ordnete der OB André Knapp im März 2020 gar die Abriegelung der gesamten Erstaufnahmeeinrichtung nach einem aufgetretenem Corona-Fall an. Die Folge war ein massiver Polizeieinsatz bei dem einige Bewohner:innen unter anderem durch den Einsatz von Schlagstöcken am Verlassen der Einrichtung gehindert wurden. Zum Zeitpunkt waren weder Bewohner:innen über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie informiert noch erging mit der Abriegelung ein rechtskräftiger Bescheid zur Quarantäne-Anordnung durch das zuständgie Gesundheitsamt.

Diese Kriminalisierung ist nicht nur brandgefährlich, sondern verschiebt auch den Blick weg von den tatsächlichen Problemen bei der Erstaufnahme und Unterbringung in Thüringen. Seit Jahren und auch aktuell gibt es massive Beschwerden der Bewohner:innen zur Lebenssituation vor. Dazu zählen insbesondere eine schlechte und unzureichende Essensversorgung, das Zusammenleben auf engstem Raum mit häufig fehlender Privatsphäre durch teils nicht abschließbare Türen und willkürliche (Zimmer)Kontrollen. Immer wieder geraten auch der Umgang der Security mit Bewohner:innen, die unzureichende medizinische Versorgung und die ungenügende Grundausstattung (z.B. mit Kleidung, Hygieneartikeln etc.) in massive Kritik von Bewohner:innen und Unterstützer:innen und bieten die Grundlage für viele Konflikte. Oberbürgermeister Knapp ist nach der öffentlichen Kontroverse mittlerweile von seinem Kurs abgerückt und hat sich einer konstruktiveren und differenzierteren Kritik angeschlossen.

 

Richter Bengt Fuchs (VG Gera)
Mit Richter Bengt Fuchs ist am VG Gera ein Richter für Asylverfahren von Flüchtlingen aus Afrika zuständig, der offen mit der AfD sympathisiert. 2018 etwa nahm er an der Wahlparty der Partei teil. Dass sich diese Nähe zu rechten Kreisen auch in seinen Urteilen niederschlagen kann, verwundert kaum. Das vor kurzem erschienene Buch „Rechte Richter“ hat sich der Journalist Joachim Wagner etwas näher mit seiner Urteilspraxis befasst und kommt dabei zu besorgniserregenden Feststellungen. Bei Flüchtlingsorganisationen und Rechtsanwälten habe „sich der Eindruck verfestigt, dass Asylverfahren mit Flüchtlingen aus Afrika“ insbesondere bei Richter Fuchs fast nie zu gewinnen“ seien. Offenbar sehen die Richter am Geraer Gericht kein Problem darin, als Erkenntnisquellen rechte Publikationen wie die Junge Freiheit zu zitieren. In einem Urteil beschwerte sich Fuchs über Kirchenasyle, die er entgegen eines weitverbreiteten Konsenses für illegal hält. Dementsprechend hielt das VG Gera anders als andere Gerichte daran fest, Personen im Kirchenasyl für untergetaucht zu erklären. Als erster Richter überhaupt wird Fuchs deshalb für die Spitze des Eisbergs nominiert.