16. Oktober 2012
Zur aktuellen Debatte um angeblichen Asylmissbrauch

Gemeinsame Erklärung von Roma- und Flüchtlingsorganisationen stellt klar:
Roma und andere Minderheiten werden in Serbien und Mazedonien massiv diskriminiert

Mit einer gemeinsamen Erklärung wenden sich zahlreiche Roma-Verbände und Flüchtlingsorganisationen, so auch der Flüchtlingsrat Thüringen, gegen die pauschale Denunziation von serbischen und mazedonischen Asylsuchenden.

Innenminister Friedrich und andere deutsche Politiker haben jüngst Asylsuchenden aus dem Balkan pauschal Asylmissbrauch vorgeworfen – ohne auch nur ein Wort über die Lebenssituation der Betroffenen in ihren Herkunftsländern zu verlieren.

Die gemeinsame Erklärung der Verbände und Organisationen stellt klar, dass ein Großteil der Asylsuchenden aus dem Balkan Roma sind, die in ihren Herkunftsländern massiv diskriminiert werden. Ende August stellte die EU-Kommission in ihrem dritten Bericht zur Visaliberalisierung erneut fest, dass die Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie beispielsweise dem Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert.
Nach Aussagen der serbischen Regierung leben circa 60 Prozent der geschätzten 450 000 Roma in Serbien in unsicheren und unhygienischen Lebensverhältnissen; 30 Prozent haben keinen Zugang zu Trinkwasser; 70 Prozent keinen Zugang zur Kanalisation. Serbische Studien belegen, dass Romakinder in Sonderschulen mit einem Anteil von mehr als 30 Prozent deutlich überrepräsentiert sind. Umfragen zufolge gelten sie als die meist diskriminierte Bevölkerungsgruppe in Serbien, eine Diskriminierung, die sich insbesondere im Zugang zum Arbeitsmarkt deutlich macht.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) stellte in ihrem letzten Länderbericht zu Serbien fest, dass die Mehrheit aller Roma von Gelegenheitsjobs wie beispielsweise dem Sammeln von Altmetall lebt und dass kaum Roma in staatlichen Betrieben beschäftigt sind.
Auch in Mazedonien sind Roma allumfassender Diskriminierung ausgesetzt. Wie in Serbien leben sie oft in abgeschiedenen Siedlungen, wo sie keinen oder nur beschränkten Zugang zu grundlegenden Diensten haben. Romakinder sind in Sonderschulen und in Sonderklassen deutlich überrepräsentiert, was sowohl auf ungeeignete Einstufungstests als auch auf eine falsche Orientierung der Eltern zurückgeht,  wie das Budapester European Roma Rights Centre kürzlich in einer Studie feststellte.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) stellte in einem 2010 veröffentlichten Bericht fest, dass 70 Prozent aller Roma in Mazedonien arbeitslos sind, womit ihre Arbeitslosigkeit deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt. ECRI fand auch, dass Roma mit Vorurteilen im Gesundheitssystem konfrontiert sind, was ihren Zugang zu medizinischen Dienstleistungen beeinträchtigt.

Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien dürfen nicht vom Recht auf Asyl ausgeschlossen werden. Sie haben ein Recht auf eine Prüfung ihres Anspruchs auf Asyl, innerhalb derer die rassistische Diskriminierung in ihren Heimatländern in angemessener Weise zu berücksichtigen ist.

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