Skandalöse Praxis bei der zahnmedizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Thüringen unverändert
Es „... kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt zum Ausschalten der Beschwerden nur eine provisorische Füllung am Zahn .. genehmigt werden“, so ein vorliegender Bescheid des Zahnärztlichen Dienstes vom Erfurter Amt für Soziales und Gesundheit.
Die Zahnbehandlung von Flüchtlingen, die Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, ist in Thüringen auch nach dem Rundschreiben des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 27.01.2012 unverändert skandalös. Wie der oben zitierte Bescheid bestätigt, werden Zahnfüllungen häufig nicht von den Sozialämtern nach dem Stand der medizinischen Kunst übernommen. Alternativ bleibt dann die Privatabrechnung oder im Einzelfall das Zahnziehen eines behandelbaren Zahnes, da hierfür eine pauschale Kostenübernahmeerklärung ohne weitere Prüfung vorliegt.
Das Thüringer Landesverwaltungsamt hatte in dem Schreiben vom 27.01.2012 gegenüber den Sozialämtern zwar festgehalten, dass „zahnerhaltenden Maßnahmen der Vorrang vor einer Extraktion einzu-räumen“ ist und „eine nach den Regeln der ärztlichen Kunst angefertigte Füllung“ vorrangig in Betracht kommt. Die abrechenbaren Behandlungsmöglichkeiten der ZahnärztInnen wurden aber unverändert auf geringstem Niveau beschränkt gelassen. Im Ergebnis hatte daher das Schreiben nahezu keine Relavanz.
Für den Flüchtlingsrat Thüringen e.V. kritisiert Steffen Dittes, dass „Flüchtlingen immer noch eine der medizinischen Notwendigkeit entsprechende Behandlung verwehrt wird. Diese Praxis ist skandalös und missachtet die Grundrechte von Flüchtlingen. Statt an diskriminierenden Sonderlösungen für Flüchtlinge im Rahmen einer neuerlichen Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes festzuhalten, ist dieses Gesetz abzuschaffen, dass den Behörden die Tür für eine derartig entwürdigende Praxis medizinischer Leistungsgewährung öffnet.“
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. fordert, umgehend eine zahnmedizi-nische Versorgung von Flüchtlingen nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und analog der Kassenleistungen für gesetzlich Versicherte sicherzustellen. Dazu ist insbesondere erforderlich:
- eine Aufhebung des Beschlusses 31/2002 der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringens (und ggf. ähnlicher Beschlüsse), der den ZahnärztInnen ohne Einbeziehung des Sozialamtes nur einen Minimalstkatalog an abrechenbaren Leistungen (z.B. ohne reine Füllung, ohne Röntgenaufnahmen, etc.) garantiert,
- eine eindeutige Weisung des Thüringer Innenministeriums an die Sozialämter, die solche skandalösen Praktiken unterbindet und sicherstellt, dass die Behandlung der Asylsuchenden nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst erfolgt und durch die Sozialämter abgerechnet wird,
sowie
- eine Würdigung des medizinischen Sachverstandes der behandelnden ZahnmedizinerInnen seitens des Landesverwaltungsamtes, so dass deren Behandlungsplan (z.B. bei der Zahnfüllung) nicht vom Zahnmedizinischen Dienst einer Behörde überprüft werden soll.
Für Rückfragen: Ellen Könneker, Tel. 0361-2172720