Anlässlich der Mitgliederversammlung am 25. Oktober 2024 veröffentlicht der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. Kritik an den im Sondierungspapier vorgesehenen asylpolitischen Maßnahmen und schlägt konkrete Verbesserungen vor. Der geplante Ausbau von Landesaufnahmeeinrichtungen, die Einführung einer Arbeitspflicht für Asylsuchende, der Einsatz von diskriminierenden Bezahlkarten und der verstärkte Fokus auf Abschiebungen sind gravierende Irrwege, die den Anspruch einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik verfehlen.
Im bisherigen Thüringer Erstaufnahmesystem gibt es eklatante strukturelle Mängel. Die alleinige Schließung der Standorte in Suhl und Eisenberg wird diese Mängel nicht beheben. Gerade in Eisenberg wurden erst kürzlich bauliche Maßnahmen durchgeführt. Der geplante Ausbau der zentralisierten Unterbringung, der Fokus auf Abschiebung und die unterschiedliche Behandlung nach vermeintlichen Bleibeperspektiven werden die bestehenden Probleme sowohl innerhalb als auch außerhalb dieser Einrichtungen massiv verstärken.
Die geplante Arbeitspflicht widerspricht den Prinzipien der Selbstbestimmung und Menschenwürde. Statt Arbeitspflichten zu definieren, sollten Arbeitsverbote für Geflüchtete abgeschafft werden, damit sie einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen können. Eine Arbeitspflicht hingegen schafft Abhängigkeiten und fördert Ausgrenzung, statt sozialer Teilhabe.
Die verpflichtende Nutzung von Bezahlkarten anstelle von Bargeld ist ein weiterer Schritt zur Einschränkung der Selbstbestimmung von Geflüchteten. Bezahlkarten behindern den Zugang zu notwendigen Gütern und Dienstleistungen und schaffen unnötige bürokratische Hürden, die den Zugang in die Aufnahmegesellschaft erschweren.
Die Schaffung einer zentralen Ausländerbehörde, die „forcierte Auffindung von untergetauchten Ausreisepflichtigen“ und der Ausbau von Abschiebehaftplätzen signalisieren eine rücksichtslos durchzuführende Abschiebepolitik. Diese setzt auf Zwang und Abschottung, statt auf den Schutz von sozialen Rechten und sozialer Teilhabe sowie einem respektvollen, rechtswahrenden Umgang – auch im Fall einer Aufenthaltsbeendigung. Genannte „Bleibeperspektiven“ stehen nach unserer Auffassung am Ende des asylrechtlichen Verfahrens, nicht an dessen Anfang. Deswegen ist es essenziell wichtig, dass Sprach- und Integrationsangebote allen Schutzsuchenden offen stehen – ungeachtet ihrer Nationalität. Dafür braucht es eine dauerhafte, verlässliche Förderung der Beratungs- und Angebotsstruktur. Regionen, die bislang nur über wenig solcher Angebote verfügen, müssen verstärkt gefördert werden.
Wir fordern eine Asylpolitik, die auf Menschenrechten, soziale Teilhabe und Solidarität basiert. Erstaufnahmeeinrichtungen müssen Schutzräume sein, in denen auch besonders Schutzbedürftige wie Minderjährige, Opfer von Gewalt und Schwangere sicher versorgt werden. Transparente Strukturen und ein unabhängiges Beschwerdemanagement sind unerlässlich. Zudem sollte die dezentrale Unterbringung Vorrang haben, und lange Aufenthalte in Massenunterkünften müssen vermieden werden. Der Zugang zu medizinischer Versorgung, besonders für schutzbedürftige Gruppen, muss verbessert werden.
Thüringen braucht eine gerechte und menschenrechtsorientierte Asylpolitik, die Geflüchtete schützt und ihre Teilhabe fördert. Isolation und die permanente Drohung mit Abschiebungen hingegen verstärken den Ausschluss Geflüchteter sowie gleichzeitig den Rechtsruck in der Asylpolitik.