10. April 2014
Flüchtlingsrat kritisiert Abschiebung madzedonischer Familie aus Erfurt auf das Schärfste

Am Dienstag, 8. April 2014, dem Internationalen Tag der Roma, wurde in Erfurt eine dreiköpfige Roma-Familie, Elvira D. und ihre beiden Kinder, unvorbereitet nach Madzedonien abgeschoben.

Der Flüchtlingsrat kritisiert diese Maßnahme auf das Schärfste und fordert die Landesregierung Thüringens auf, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass sich eine solche Vorgehensweise nicht wiederholt. „So geht man mit Menschen nicht um. Sowohl Ausländerbehörde als auch Landesverwaltungsamt sind keinesfalls verpflichtet, derart rigide und ohne Terminankündigung Menschen aus ihrem Lebensumfeld zu reißen!“, so Sabine Berninger, Vorstandsmitglied des Thüringer Flüchtlingsrates.

Insbesondere stellen sich folgende Fragen:

  •  Warum wurden nicht alle möglichen Wege gegangen, um vor allem den Kindern die traumatisierende Erfahrung einer Abschiebung zu ersparen?
  •  Warum wusste die Mutter nichts von dem sehr akuten Abschiebungstermin?
  •  Warum wurden die Kinder von der Polizei in der Schule abgeholt und hatten keine Gelegenheit ihre persönlichen Sachen zu packen und sich von ihren FreundInnen und Bekannten in Erfurt zu verabschieden?

„Die Abschiebung war absolut unverhältnismäßig und ist ein Skandal. Wir fordern die Ausländerbehörde Erfurt auf, jetzt zumindest die Rechtsfolgen der Abschiebung zu mildern und die Wiedereinreisesperre sofort aufzuheben“, so Berninger weiter.

Dass Abschiebungen insbesondere für Kinder traumatisierend sind und sich maßgeblich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können, ist bekannt. „Absolut unverständlich ist, warum dies offensichtlich billigend in Kauf genommen wurde“, kritisiert Berninger. „Auch, dass die Schule kein geschützter Raum für die Kinder war und das Kindeswohl keine Beachtung gefunden hat, kann nicht kommentarlos hingenommen werden.“

Bereits in den vergangenen Monaten wurde von ähnlichen Praktiken in anderen Thüringer Städten berichtet. Dabei haben die Ausländerbehörden sehr wohl einen erheblichen Spielraum, Abschiebungen weitgehend zu verhindern: durch intensive Gespräche mit den Betroffenen, Beratung und Information über die aufenthaltsrechtliche Situation und die Konsequenzen einer Abschiebung. Dazu fehlen offensichtlich einheitliche Anweisungen an die Thüringer Ausländerbehörden ebenso wie eine Transparenz, wann und in welcher Form Abschiebungstermine den Betroffenen vorher angekündigt werden müssen.

Zu mehr Informationen die Pressemeldung der Unterstützer_innenkreis vom 8.4.2014:

Abschiebung ohne Vorwarnung mit Protest in Erfurt

Am Dienstag, den 08. April wird eine Mutter mit ihren beiden Kindern mitten in Erfurt von einem großen  Polizeiaufgebot aus ihrem Alltag gerissen und nach Mazedonien deportiert. Um 14.00 Uhr verschafften sich zivil gekleidete BeamtInnen Zugang zur Wohnung von Elvira D.. Sie zwangen die junge Mutter dazu innerhalb einer Stunde das Nötigste zusammen zu packen. Ihre zwei neun- und zehnjährigen Töchter durften selbst keine Sachen einpacken. Sie wurden von einer zweiten Polizeigruppe unter den Augen ihrer MitschülerInnen aus der Johannesschule Erfurt weg geholt. Darauf angesprochen, sahen die LehrerInnen der Grundschule auch kein Problem darin, dass Kinder einfach so von uniformierten BeamtInnen mitgenommen werden.
bDiese traumatischen Erlebnisse wiederholen sich Tag für Tag in Deutschland und dennoch zeigt die Abschiebung unserer Freundin Elvira und ihren Töchtern und Riana und Elmedina, dass deutsche Behörden ihren Deportationsapparat immer effizienter machen.

Innerhalb von einer Stunde war alles vorbei. Spontaner Protest vor der Wohnung der Familie wurde durch fünf unmittelbar herbeigerufene Polizeifahrzeuge im Keim erstickt. Deshalb gab es um 18.00 Uhr eine spontane Demonstration in der Erfurter Innenstadt, bei welcher lautstark gegen die Abschiebung protestiert wurde. Die Familie wurde heute noch direkt zum Flughafen Halle-Leipzig verschleppt und dort in einen Linienflug von Austrian Airlines nach Skopje mit Zwischenlandung in Wien gesteckt. Dieses Vorgehen ist umso erschreckender, weil niemand darauf eingestellt sein konnte. Von der Erfurter Ausländerbehörde gab es keinerlei Ankündigung der Abschiebung, für die das Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar verantwortlich ist. Gleichzeitig fand heute eine von mehreren Bundesländern koordinierte Sammelabschiebung von mehrheitlich Roma aus Hannover nach Skopje statt. Damit zeigen die zuständigen MitarbeiterInnen am heutigen internationalen Tag der Roma, was sie von diesen Menschen halten.
gez. Unterstützer_innenkreis Elvira, Riana, Elmedina